Vergesst die Kinder nicht! Verschärfte Situation für Familien durch Corona-Pandemie

FamilenfotoZunehmend geraten immer mehr Gruppen in den Blick, die durch das Coronavirus unter Druck geraten. Manche davon melden sich laut zu Wort, andere sind still. Das gilt vor allem für Familien, die z.Zt. einiges leisten: Kinderbetreuung, Homeschooling und Job. Immer stärker setzt die „Coronakrise“ unser Land, und damit auch die Familien, unter Druck: Eltern arbeiten in Kurzarbeit, werden entlassen, haben keine Kinderbetreuung oder stehen als Selbstständige vor dem wirtschaftlichen Ruin.

Es ist damit zu rechnen, dass durch die zu erwartende wirtschaftliche Krise die Zahl der Hartz-IV-Haushalte steigen wird und damit absehbar auch die Zahl armer Kinder in Deutschland. Darauf machen Diakonie Deutschland zusammen mit Kinderhilfswerk, Kinderschutzbund, AWO, Zukunftsforum Familie, Verband alleinerziehender Mütter und Väter und die Nationale Armutskonferenz in einer Erklärung aufmerksam. Die beiden Evangelische Dekanate Vorderer Odenwald und Odenwald, sowie die Diakonischen Werke Darmstadt-Dieburg und Odenwald schließen sich dieser Erklärung an und weist auf die bisherigen Zahlen von Kindern hin, die in armutsgefährdeten Familien leben. So leben im Landkreis Darmstadt-Dieburg (Stichtag 31.12.2018) immerhin 5.641 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in sogenannten Bedarfsgemeinschaften, wiederum 2.047 Kinder, also 36,3 %, leben in Ein-Eltern-Familien. Im Odenwaldkreis (Stand April 2020) leben 1.365 Kinder bis 15 Jahren in Bedarfsgemeinschaften. Bei den Erwerbsfähigen Leistungsberechtigten sind 395 Personen und damit 11,9 % Alleinerziehend.

Dass sich die Situation für diesen Personenkreis, der schon vor der Krise in Armut gelebt hat verschärft, wird in dieser Erklärung deutlich.

Mit der Schließung der Bildungs- und vieler sozialer Einrichtungen fallen wichtige Versorgungsinfrastrukturen mit einem Schlag für sie weg. Die Mehrheit dieser Kinder lebt in einer Familie, in der mindestens ein Elternteil arbeitet. Das Gehalt ist jedoch zu niedrig, um

die Existenz der Familie zu sichern. Dies betrifft allem voran viele der systemrelevanten Berufe, wie die alleinerziehende Krankenschwester oder die Kassiererin im Supermarkt.

Arme Familien und ihre Kinder haben mehr Ausgaben, bekommen aber keinen Euro mehr.

Die Versorgung ihrer Kinder ist für arme Familien zu einem ernstzunehmenden Problem geworden, denn der Hartz IV Regelsatz für Familien, Kinder und Jugendliche ist viel zu knapp bemessen. Für Kinder unter 14 Jahren stehen gerade einmal um die vier Euro am Tag für Lebensmittel zur Verfügung. Bei vielen Lebensmitteln und Hygieneartikeln sind durch Hamsterkäufe die kostengünstigen Artikel, auf die arme Familien angewiesen sind, aber nicht mehr verfügbar. Hinzu kommen der Wegfall des kostenfreien Essens in Kitas und Schulen über das Bildungs- und Teilhabepaket sowie die Schließung vieler Tafeln, die normalerweise rund eine halbe Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland versorgen.

Auch in anderen Bereichen, wie Bildung, soziale Teilhabe oder Gesundheit, verschärft sich die Unterversorgung der Kinder zunehmend. Arme Familien leben oft auf engstem Raum, die technische Ausstattung für das Lernen zuhause ist nicht vorhanden, erhöhte Strom- und andere Wohnkosten nicht eingeplant. Viele Familien mit Kindern sind schon jetzt am Limit und haben keine finanziellen Spielräume. Dabei zeigt sich: Leidtragende der Situation sind die, die ohnehin schon weniger finanzielle Möglichkeiten haben.

Arme Kinder nicht wieder vergessen: Soforthilfe leisten.

Die Bundesregierung hat im Rahmen des Sozialschutz-Pakets Erleichterungen für Familien beim Zugang zu sozialen Leistungen auf den Weg gebracht, die gut und richtig sind. Siekommen jedoch vielfach nicht bei Familien an, die bereits von SGB II-Leistungen leben. Der Wegfall der Leistungen auf Bildung und Teilhabe – auch für Familien mit Kinderzuschlag oder Wohngeld – sowie anfallende Mehrausgaben können durch die Eltern nicht aufgefangen werden. Es braucht daher dringend eine unbürokratische Aufstockung des Hartz-IV-Regelsatzes für Kinder und Jugendliche als Soforthilfe. Zudem muss sichergestellt werden, dass alle Schulkinder durch die Übernahme der entsprechenden Anschlusskosten Zugang zum Internet haben sowie die Anschaffung von digitalen Endgeräten oder Computern ermöglicht wird, sofern diese nicht vorhanden sind. Andernfalls wird sich das drängende Problem der Bildungsgerechtigkeit in Deutschland noch weiter verschärfen. Wir fordern die Bundesregierung und die Länder dazu auf, schnell zu handeln und kurzfristige und wirkungsvolle Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Denn mit jedem weiteren Monat werden Kindern Entwicklungschancen genommen und damit auch ein Stück Zukunft für sie und unsere Gesellschaft. Ebenso müssen die Zugangskriterien für Notbetreuung in allen Bundesländern erweitert werden. Kinder aus armen Familien und Kinder von Alleinerziehenden müssen besondere Betreuungsangebote zur Verfügung gestellt bekommen. Angesichts von Schul- und Kitaschließungen können insbesondere Alleinerziehende nicht oder nur unter beschwerten Bedingungen ihrem Beruf nachgehen. Das gefährdet unmittelbar ihre Existenz.

Tragfähige Lösungen für die Zukunft

Gleichzeitig brauchen wir dringend tragfähige Lösungen für die Zukunft. Die Krise zeigt in aller Deutlichkeit: Bildungs- und Teilhabechancen sind eng mit dem Geldbeutel der Elternverknüpft. Arme oder von Armut bedrohte Familien brauchen auch nach Überwindung der Krise eine besondere Unterstützung. Es bedarf dringend einer Stärkung guter und armutssensibler Bildungs- und Betreuungseinrichtungen und einer Reform der monetären Familienförderung!

Dies ist eine Erklärung der Diakonie Deutschland zusammen mit Kinderhilfswerk, Kinderschutzbund, AWO, Zukunftsforum Familie, Verband alleinerziehender Mütter und Väter und die Nationale Armutskonferenz und

Dekan Joachim Meyer und Dr. Michael Vollmer, Dekanat Vorderer Odenwald
Dekan Dr. Karlheinz Schell und Egon Scheuermann, Dekanat Odenwald
Bärbel Simon, DW Odenwald
Edda Haack, DW Darmstadt-Dieburg

Berlin, 29. April 2020 / Groß-Umstadt/ Michelstadt, 7. Mai 2020

Die Pressemitteilung als pdf-Datei finden Sie hier