Gemeinsame Pressemitteilung
13.000 Ehrenamtliche und ein Jahr nach dem Wort der Kanzlerin „Wir schaffen das“
Frankfurt a.M. / Darmstadt / Kassel, 30. August 2016. Genau vor einem Jahr sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Flüchtlingspolitik „Wir schaffen das.“. Diese Aussage haben die evangelische Kirche und Diakonie mit ihrem Engagement für Hilfesuchende am Dienstag (30. August) bekräftigt. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, erklärte, das Wort der Kanzlerin sei von der evangelischen Kirche nie als „Durchhalteparole, sondern aus einer tiefen Überzeugung heraus als Handlungsimpuls an alle verstanden worden“. In der Folge hätten „Kirche und Diakonie aus dem ‚Wir schaffen das‘ ein ‚Wir sind dabei!‘“ gemacht.
Der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW), Martin Hein, sprach von einem „überwältigenden Engagement für Menschen in Not, das aus dem christlichen Glauben erwachse“. Die Aufgabe sei jedoch längst nicht beendet, jetzt gehe es darum, „das Miteinander in der von Vielfalt geprägten Migrationsgesellschaft so zu gestalten, dass soziale Teilhabe und Anerkennung für alle wirklich werden kann.“ Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Hessen, Pfarrer Horst Rühl, sagte, es sei beeindruckend, wie sich in den zurückliegenden Monaten Menschen im Kreis der Kirche für Notleidende eingesetzt hätten und „damit auch ein klares Bekenntnis gegen jegliche Ausgrenzung und Stimmungsmache“ gesetzt hätten.
Insgesamt engagieren sich in EKHN und EKKW rund 13.000 Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe. Dabei sind über 1.100 Gemeinden in beiden Kirchen aktiv. Sie stellen Räume zur Verfügung, arbeiten zusammen mit anderen Aktiven an Runden Tischen; einzelne aus den Kirchengemeinden begleiten Hilfesuchende zu Behörden und Ärzten oder unterstützen Flüchtlingskinder bei den Hausaufgaben. Aus einem Fonds fördern beide Kirchen zudem noch einmal über 250 Projekte gesondert. Das Spektrum reicht von Begegnungscafés über Fahrradwerkstätten mit Geflüchteten bis zur Einrichtung von Internetplattformen, um die Vernetzung der freiwillig Engagierten zu verbessern. Gleichzeitig starteten spezielle Programme zur Integration von Flüchtlingskindern in den evangelischen Kindertagesstätten.
Die Diakonie Hessen bringt sich mit 36 hauptamtlichen Koordinatorinnen und Koordinatoren in die Arbeit ein. Sie begleiten und qualifizieren das ehrenamtliche Engagement. Von den 26 hessischen Gebietskörperschaften ist die Diakonie zudem an 19 Standorten mit einem unabhängigen Beratungsangebot präsent, das größtenteils durch Kirchenmittel finanziert wird. Hinzu kommen weitere neun Stellen in der Verfahrensberatung in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Rühl sagte dazu: „Wer im komplizierten deutschen Asylverfahren bestehen will, muss über seine Rechte und Pflichten informiert sein. Dies leistet die unabhängige Verfahrensberatung, die in besonderer Weise von Diakonie und Kirche in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Hessen und Rheinland-Pfalz geleistet wird und die weiter ausgebaut werden soll.“ Mittelfristig engagieren sich beide Kirchen und die Diakonie mit 39 Millionen Euro zusätzlichen Eigenmitteln in der Flüchtlingshilfe.
Die Kirchenvertreter gingen auch auf jüngste Entwicklungen in Flüchtlingsfragen ein. Mit Blick auf das zuletzt in Nordrhein-Westfalen diskutierte Thema Kirchenasyl lobte Kirchenpräsident Volker Jung die Position der hessischen und rheinland-pfälzischen Regierungen: „Kirchenasyl ist kein verbrieftes Recht, sondern eine allerletzte Maßnahme, den Einzelfall nochmals zu prüfen. Ich bin dankbar dafür, dass die Landesregierungen die Regelung in unseren Kirchengebieten respektvoll und sensibel begleiten.“
Eine zentrale Herausforderung des kommenden Jahres sei das verstärkte Bemühen um Integration der zu uns Kommenden, sagte Bischof Hein. „Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, der wir uns zusammen mit Bildungsträgern und Verantwortlichen in Handel und Wirtschaft stellen.“ Hilfe werde konkret, wenn jugendlichen Flüchtlingen eine Teilnahme an den Angeboten der Vereine vor Ort, besonders der Sportvereine, ermöglicht werde. „Es ist wichtig, die Jugendlichen aktiv einzubinden. Niederschwellige Angebote, die sich aus ihrer Isolation herausholen, sind das Gebot der Stunde!“
Diakonievorsitzender Horst Rühl untermauerte erneut die Forderung nach einem erleichterten Familiennachzug für Flüchtlinge. Er kritisierte, „dass viele syrische Flüchtlinge nur noch einen nachgeordneten Schutzstatus erhalten und damit der Nachzug ihrer Familien für zwei Jahre ausgesetzt ist.“ Zudem wies Rühl auf ein weiteres Problem hin: die lange Bearbeitungsdauer der Anträge auf Familienzusammenführung bei den Deutschen Botschaften. Der Grundsatz der Einheit der Familie und das Recht auf Familiennachzug hätten für Diakonie und Kirche eine herausragende Bedeutung. „Umso mehr besorgt es uns, dass dieses Recht zunehmend ausgehöhlt wird“, sagte Rühl. Er betonte, dass sich die Diakonie auch deshalb in der konkreten Beratungsarbeit engagiere, „weil sich dort die Folgen von gesetzlichen Verschärfungen zuerst zeigen, sei es bei den Problemen im Rahmen der Familienzusammenführung oder aufgrund von Abschiebungen in ein anderes europäisches Land gemäß der Dublin-Verordnung“.