„Diakonie ist gesellschaftliche und kirchliche Kraft im Einsatz für Menschen“

Diakonie-Chef Gern bei zweiter Mitgliederversammlung der Diakonie Hessen in Melsungen: Professionelle Qualität, Respekt und Dialogfähigkeit sind Profil des Verbandes – Präsident des Bundessozialgerichts: Sozialer Rechtsstaat mit verbürgten Menschenrechten ist Basis unserer Willkommenskultur

 

Als „gesellschaftliche und kirchliche Kraft, die vielgestaltig ist und wechselseitigen Respekt erfordert“, hat Pfarrer Dr. Wolfgang Gern die Diakonie Hessen bezeichnet. Während der Mitgliederversammlung des evangelischen Sozialverbandes, dessen Vorstandsvorsitzender Dr. Gern ist, sagte der Theologe in der Melsunger Stadthalle: „Das uns einigende Band ist die Menschlichkeit Jesu und der Einsatz für Menschen – von der Teestube für Wohnungslose über die Sozialstation bis hin zur großen Pflegeeinrichtung.“ Professionelle Qualität, Respekt vor der Interessenvielfalt und Dialogfähigkeit seien Teil des Profils der Diakonie Hessen. Der Diakonie-Chef wies weiter darauf hin, „dass die kulturelle Vielfalt das christliche Profil der Diakonie stärkt und nicht schwächt. Voraussetzung ist, dass wir lernbereit bleiben als solche, die ohne Angst verschieden sind.“

Mit Blick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. September, wonach die „Hartz IV“-Leistungen bedauerlicherweise gerade noch als verfassungsgemäß erklärt worden seien, sagte Gern: „Ein kleiner positiver Aspekt in diesem Urteil sind die Nachbesserungen, die das Bundesverfassungsgericht vom Gesetzgeber fordert: mehr finanziellen Spielraum beim Regelsatz, damit Betroffene Unterdeckungen ausgleichen können; extreme Preissteigerungen wie bei den Stromkosten müssten zeitnah ausgeglichen werden; die Fahrten von Kindern zum Sportverein müssen künftig erstattet werden. Nun wollen wir, dass der Gesetzgeber seine Hausaufgaben auch macht – und werden die einzelnen Schritte im Auge behalten.“

Weiter sagte der Vorstandsvorsitzende: „Das Sozialbudget ist grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Bei der neuen Landesregierung hat Soziale Arbeit wieder einen etwas höheren Stellenwert. Wichtige Forderungen der Diakonie werden aufgegriffen – etwa die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle oder die Förderung von Frauenhäusern. Auch die Aufstockung des Sozialbudgets ist sehr zu begrüßen.“ Allerdings warnte Gern auch vor zu großer Euphorie. Die Einsparungen, die die Hessische Landesregierung mit ihrer „Operation sichere Zukunft“ vor zehn Jahren vorgenommen hätte, würden nicht vollständig ausgeglichen. Das Land weigere sich, die Mittel zu dynamisieren, wodurch Tarifsteigerungen zu Entlassungen führen müssten. Die angekündigten Programme für langzeitarbeitslose Menschen entsprächen nicht den Vorschlägen der Diakonie. Auch seien die Sozialverbände nach wie vor nicht in die Planungen des Sozialbudgets einbezogen worden, kritisierte Gern.

Als zentrale Themen der nächsten Jahre nannte Gern die Fragen von Flucht und Migration. „Angesichts von erneuten Schiffskatastrophen im Mittelmeer mit über 700 Toten allein in einer Woche im September 2014 brauchen wir dringend legale und unbürokratische Zugangswege nach Europa“, forderte er. Außerdem sagte er: „Dass das Hessische Ministerium für Soziales und Integration die Landkreise und Kommunen diesbezüglich finanziell besser ausstatten will, ist dringend nötig und zu begrüßen. Die zusätzlichen Mittel sollten aber mit Standards verbunden werden, etwa zur Unterbringung oder im Hinblick auf die soziale Betreuung. Das Engagement der vielen Ehrenamtlichen ist bewundernswert. Sie werden den langen Atem, den sie für diese Arbeit brauchen, nur aufbringen, wenn es ausreichend hauptamtliche Unterstützung und Begleitung gibt“, sagte Diakonie-Chef Gern.

Peter Masuch, Präsident des Bundessozialgerichts in Kassel, sagte in seinem Impulsvortrag „Willkommenskultur in Deutschland – Was bedeutet das für die Sozialpolitik?“: „Der soziale Rechtsstaat mit seinen verbürgten Menschenrechten ist die Basis unserer Willkommenskultur. Es ist nicht damit vereinbar, Arbeitsmigranten zu demütigen, auszubeuten oder zu betrügen.“ Gegen eine weitere Öffnung Deutschlands für Flüchtlinge werde fälschlicherweise häufig eingewandt, diese wanderten als Kostgänger des Wohlfahrtsstaates ein. Masuch rechnete dagegen vor: „Die Ergebnisse der Sozialforschung zeigen, dass auch Migranten erheblich zum Steueraufkommen und zur Finanzierung der sozialen Sicherung beitragen: Im Durchschnitt der OECD-Länder zahlten Haushalte mit Migranten als Haushaltsvorstand in den Jahren zwischen 2007 und 2009 etwa 5.000 Euro mehr, als sie bekamen.“

Stichwort:

– Diakonie Hessen, der soziale Dienst der Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck

Die Diakonie Hessen – Diakonisches Werk in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck e.V. ist der soziale Dienst der Evangelischen Kirchen in Hessen und Nassau und Kurhessen-Waldeck und ist in Hessen, Rheinland-Pfalz und im thüringischen Schmalkalden tätig. Die Landesgeschäftsstelle der Diakonie Hessen ist in Frankfurt am Main, außerdem gibt es den Standort in Kassel.

Den Vorsitz im Aufsichtsrat der Diakonie Hessen, dem Kontrollgremium, hat Pfarrer Joachim Bertelmann. Vorsitzender der Mitgliederversammlung ist der ehemalige langjährige rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch (SPD).

Der Diakonie Hessen gehören nach aktuellem Stand 433 Rechtsträger an einschließlich Vereine, Stiftungen und gemeinnützige Gesellschaften sowie 44 Dekanate der EKHN und 20 Kirchenkreise der EKKW. Es gibt 1.348 Einrichtungen, Angebote und ambulante Dienste unter anderem in den Bereichen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, in der Alten- und Krankenpflege, in der Sucht- und Behindertenhilfe, in der Migrations- und Flüchtlingsarbeit oder in der Beratung von Menschen mit sozialen Schwierigkeiten. Zur Diakonie Hessen gehören 31 regionale Diakonische Werke.

Etwa 39.000 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten in diakonischen Einrichtungen in der Diakonie Hessen, knapp 54.000 engagieren sich ehrenamtlich. Allein in der Landesgeschäftsstelle der Diakonie Hessen in Frankfurt am Main und in der Geschäftsstelle in Kassel arbeiten knapp 200 Mitarbeitende.

An der Spitze des Landesverbandes steht Pfarrer Dr. Wolfgang Gern als Vorstandsvorsitzender. Den Vorstand komplettieren Dr. Harald Clausen, Juristischer Vorstand, Wilfried Knapp, Kaufmännischer Vorstand, sowie Landeskirchenrat Horst Rühl, Theologischer Vorstand.

– Mitgliederversammlung der Diakonie Hessen

Die Mitgliederversammlung der Diakonie Hessen ist das in der Regel einmal im Jahr tagende „Parlament“ des evangelischen Wohlfahrtsverbandes. Unter anderem nimmt die Mitgliederversammlung die Rechenschaftsberichte des Vorstands und des Aufsichtsrats entgegen, genehmigt die Feststellungen der Jahresrechnung und wählt aus ihrer Mitte Personen in den Aufsichtsrat.

Weitere Informationen erhalten Sie unter

www.diakonie-hessen.de