Liga der Freien Wohlfahrtspflege im Odenwaldkreis unterstützt Kampagne „Pro Arbeit“.
Die Zahl der Arbeitslosen ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen, nur die Zahl der langzeitarbeitslosen Menschen hat sich trotz guter Konjunktur verfestigt. Bundesweit sind im Juli 2013 über eine Million Menschen bei den Jobcentern als Langzeitarbeitslose registriert und damit länger als ein Jahr ohne Arbeit. Im Odenwaldkreis sind nach der letzten Statistik der Arbeitsagentur mehr als zweitausend Arbeitslose im SGB II-Bezug, also abhängig von „Hartz IV-Leistungen“. „Wer lange Zeit arbeitslos ist, sieht für sich keine Perspektive mehr, kommt sich nutzlos vor, wird häufig krank. Darunter leidet die ganze Familie. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass Arbeitslosigkeit für Betroffene und ihre Familien körperliche und seelische Folgen hat bis hin zur geringeren Lebenserwartung. Der Leidensdruck nimmt zu, je länger die Arbeitslosigkeit dauert“, so Dr. Jürgen Richter, der Vorstandsvorsitzende der Liga Hessen, bei der Eröffnung der Kampagne „Pro Arbeit“ am 15.8.2013 in Wiesbaden.
Von einer Gewöhnung an Arbeitslosigkeit und einem Ausruhen in der sozialen Hängematte kann keine Rede sein. Statt auf Sanktionen, die ein problematisches Leben nur noch schwieriger machen, muss sich Arbeitsmarktpolitik auf die Unterstützung von Langzeitarbeitslosen konzentrieren. Doch das Gegenteil ist der Fall: Anstatt diese Menschen besonders zu fördern, hat die Bundesagentur für Arbeit von 2011 bis 2013 die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen für Arbeitslose rigoros um rund 50 Prozent gekürzt. Von diesen reduzierten Mitteln wurden 2012 auch noch 1,2 Milliarden Euro nicht ausgegeben. Gut qualifizierte Arbeitssuchende, bei denen Aussicht auf „schnelle Vermittlungen“ besteht, werden bevorzugt gefördert. Hier wird auf dem Rücken besonders benachteiligter Menschen gespart.
In Hessen heißt dies: Im Juli 2013 ist die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozent auf 189.714 Personen gestiegen. Rechnet man die Personen dazu, die derzeit an Maßnahmen der Arbeitsagentur teilnehmen, sind tatsächlich 236.203 Personen ohne Arbeit. Im Juli waren insgesamt 63.440 oder ein Drittel aller gemeldeten Arbeitslosen länger als ein Jahr arbeitslos.
„Auch in unsere Beratungsstellen kommen immer mehr langzeitarbeitslose Menschen, für die es einfach kein Arbeitsangebot mehr gibt und die schier verzweifelt sind,“ so Bärbel Simon, Leiterin des Diakonischen Werkes und derzeit Sprecherin der Liga im Odenwaldkreis. Die offizielle Zahl der Langzeitarbeitslosen der Bundesagentur für Arbeit zeigt nur einen Teil der Wahrheit. Denn es sind erheblich mehr. Schon kurzfristige Unterbrechungen, das Erreichen des 58. Lebensjahres oder die Teilnahme an einer Qualifizierungsmaßnahme führen zum Verschwinden aus der Arbeitslosenstatistik.
Insgesamt leben in Hessen rund 412.000 Menschen in SGB II – Bedarfsgemeinschaften. Nahezu die Hälfte aller ehemaligen Arbeitslosengeld-II-Empfänger muss sich nach einer Arbeitsaufnahme binnen eines halben Jahres erneut arbeitslos melden. Trotz dieser Zuspitzung hat die Bundesregierung die Mittel zur Eingliederung von langzeitarbeitslosen Menschen in den letzten drei Jahren nahezu halbiert. Die Pro- Kopf-Ausgaben für Leistungen zu Eingliederungen wurden im gleichen Zeitraum um fast 30 Prozent reduziert. In Hessen verringerten sich beispielsweise die Beschäftigung schaffenden Maßnahmen für Langzeitarbeitslose seit 2010 um nahezu 70 Prozent.
Wie vom Bundesrechnungshof bestätigt wurde, hat die Bundesagentur für Arbeit diese Menschen aufgegeben. Sie sind nur noch Bezahlkunden, für die zwar das Arbeitslosengeld II bezahlt wird, für deren Integration aber nicht genug getan wird. Das Bonussystem für die Vermittlungen führt zu Fehlsteuerungen und das Ranking unter den Jobcentern leistet sein Übriges dazu.
Deshalb haben die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen und die LAG Arbeit Hessen sich entschlossen, dieser Entwicklung vehement entgegen zu treten und die öffentliche Aufmerksamkeit auf dieses Problem zu lenken. Langzeitarbeitslose Menschen verdienen ihre Chance, auch wenn sie schwer in normale Arbeitsplätze vermittelt werden können, weil sie mehrfache Vermittlungshemmnisse haben. Sie brauchen Unterstützung und Begleitung. Jeder, der arbeiten will, soll auch arbeiten können. Das geht nur mit der Einführung eines sozialen Arbeitsmarktes.
Die Bundesregierung wird aufgefordert, die arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen erheblich zu verstärken, anstatt sie zu reduzieren. „Vor allem muss sie die öffentlich geförderte Beschäftigung wieder verstärken, damit Langzeitarbeitslose eine Chance auf Teilhabe und ein menschenwürdiges Leben bekommen“, so die Initiatoren. „Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren“ ist ein gesellschaftliches und bundespolitisches Thema. Konkret gefordert wird die Rücknahme der Kürzungen bei den Geldern für Eingliederungsmaßnahmen, die Einführung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes, der Einsatz der Gelder zur Finanzierung der Arbeit und nicht der Arbeitslosigkeit. Dieses Modell wird „Passiv-Aktiv-Transfer“ genannt und auf einer Webseite genau erklärt: www.initiative-pro-arbeit.de. Wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Beschäftigungsmaßnahmen sei auch die Freigabe für alle Arbeitgeber, nicht wie früher nur für soziale Beschäftigungsträger. Damit gibt es die Möglichkeit zur Teilnahme am allgemeinen Markt und die geförderten Personen sind nicht mehr eingeschränkt auf sogenannte „zusätzliche“ und wettbewerbsneutrale Tätigkeiten..
Die LAG Arbeit in Hessen e.V. ist ein Zusammenschluss von derzeit 48 gemeinnützigen Gesellschaften, die sich in der Jugendberufshilfe, der Beschäftigungs- und Arbeitsförderung, Qualifizierung und Weiterbildung betätigen.
Die Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Hessen e. V. ist der Zusammenschluss der sechs hessischen Wohlfahrtsverbände. Sie vertritt die Interessen der hilfebedürftigen und benachteiligten Menschen gegenüber der Politik ebenso, wie die Interessen ihrer Mitgliedsverbände. Mit ca. 5000 Einrichtungen und Diensten sind die Mitgliedsverbände ein bedeutender Faktor für die Menschen, für eine soziale Infrastruktur und für die Wirtschaft in Hessen. Nah an den Menschen und ihren Bedürfnissen wissen 150.000 hauptamtlichen und 52.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeinrichtungen, Behinderteneinrichtungen, Werkstätten, Tagesstätten, Bildungsstätten, Beratungsstellen, in den Frühförderstellen, ambulanten Diensten und anderen Einrichtungen um die sozialen Belange und die realen Rahmenbedingungen in Hessen. Diese Kenntnisse bringt die Liga in die politischen Gespräche auf Landesebene und mit Verhandlungspartnern und Kostenträgern ein.
In jedem Landkreis in Hessen gibt es so genannte Orts-Ligen, die – analog der Liga auf Landesebene – Ansprechpartner für (kommunale) Spitzenverbände und Kostenträger in den Regionen sind. Sprecherin der Liga im Odenwaldkreis ist zurzeit Bärbel Simon, die Leiterin des Diakonischen Werkes Odenwald (06061/9650-0). Die weiteren Mitglieder sind die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz, der Caritas-Verband und der Paritätische Wohlfahrtsverband.
Quelle: Pressemitteilung der Liga der freien Wohlfahrtsverbände im Odenwaldkreis vom 28.8.2013