50 Jahre soziale Verantwortung – Diakonie feiert Jubiläum

MICHELSTADT. Einsam stand die kleine Skulptur vor dem Altar der Evangelischen Stadtkirche. Und obwohl sie von einem überdimensionalen Rahmen umgeben war, wurde sie kaum bemerkt. Als der Rahmen geräuschvoll auf dem Steinboden aufschlug, erschien das zunächst wie ein Missgeschick des Pfarrers. Weit gefehlt. Dekanatsdiakoniepfarrer Reinhold Hoffmann leitete so, durchaus geschickt, einen Festgottesdienst ein. Anlass war dafür am Sonntag das 50-jährige Bestehen des Diakonischen Werkes Odenwald (DWO). Das sind fünfzig Jahre bewegte Vergangenheit. Die Statue sei aus dem Rahmen gefallen, stellte der Pfarrer fest und habe an Ansehen verloren. Unter dem Titel „a n g e s e h e n“ hatte er zusammen mit dem Diakonieausschuss den Gottesdienst inhaltlich vorbereitet und jetzt gestaltet. Im Mittelpunkt standen dabei der aktuelle Ukrainekrieg und aus dem weiten Spektrum dieser menschengemachten und vieler natürlicher Katastrophen außerdem das gewaltige Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet. Eindrucksvolle Redebeiträge der Ausschussmitglieder beschrieben einige der berechtigten Sorgen um Leben und Existenz direkt betroffener und scheinbar nur außenstehender Menschen.

In den Vorträgen ging es zunächst um die Corona-Pandemie, die den Menschen viel Lebensfreude genommen hatte. Todesfälle in den Familien, die aktuellen erheblichen Kostensteigerungen und daraus resultierende Finanznöte sind bedrückend. Die Flucht aus der Heimat wurde ebenso thematisiert, wie jene Menschen, die auf vielfältige Weise helfen. Obwohl man die Liste der Ängste und quälenden Fragen noch lange hätte fortsetzen können, wurden auch diese beiden Faktoren ebenso angesprochen, wie Sterbebegleitung im Hospiz.

Einen würdigen musikalischen Rahmen verliehen dem Gottesdienst Pfarrer Hoffmann selbst mit Querflöte und Gitarre, Rahel Kämmerer (Gesang und Cajon), sowie Dekanatskantorin Beate Ihrig, die künftig als Kantorin der Evangelischen Kirchengemeinde Michelstadt tätig sein wird. Vorbereitete Liedtexte luden die zahlreichen Besucher zum Mitsingen ein. So gelang es Hoffmann, die Feier trotz der sehr ernsten Hintergrundthemen zu einem fröhlichen Gottesdienst werden zu lassen.

Vorausgegangen war eine kurze Begrüßung durch Präses Sandra Schultheis und DWO-Leiterin Bärbel Simon. Dekan Carsten Stein oblag nach einem einleitenden Votum die Psalmlesung (nach Psalm 13) im Wechselvortrag mit den Gästen. Stein und Simon waren es schließlich, die ebenfalls in einer Art Dialog die Historie des DWO beleuchteten, und damit die Einzelbegrüßung der Ehrengäste aus Politik, Organisation und Kirche verknüpften. Demnach wurde das DWO vor fünf Jahrzehnten von Dieter Nolte, Zell, ins Leben gerufen. Nolte war überzeugter Christ und Sozialarbeiter. Zudem engagierte er sich stark politisch, kommunal und als Mitglied des Hessischen Landtages. Sie stelle sich vor, er habe den damaligen Dekan im Jahr 1973 zur Einrichtung einer diakonischen Dekanatsstelle überredet, sagte Simon. Und Stein bestätigte, dass die Diakonie „ja für die Kirche wie das Salz in der Suppe“ bzw. die „institutionierte soziale Verantwortung der Kirche“ sei. Ihren Vortrag hatten beide chronologisch sortiert und sie verwiesen auf eine im Liedblatt dargestellte Zeitleiste. Diese umfasst, gegliedert in fünf Dekaden, eine Vielzahl historischer Ereignisse weltweit sowie Aktivitäten und Aufgaben der DWO. Die Skala erinnert an eine Ölkrise, die RAF, und der Kniefall des Bundeskanzlers Willy Brandt in Warschau ging in die Geschichtsbücher ebenso ein, wie aktuell die Corona-Pandemie und der Ukrainekrieg. Das DWO schuf in dieser Zeit ergänzend zur Basis eine ganze Reihe sozialer Projekte, die sich beispielsweise mit Migration und Integration beschäftigten, wobei derzeit ukrainische Menschen einen Schwerpunkt bilden. Die Massenarbeitslosigkeit im Jahr 1992 beschäftigte das DWO. Zu den vielen weiteren Themen gehören Schwangerenberatung, betreutes Wohnen und Konfliktberatung. Das Diakonische Werk Odenwald verlegte seinen Sitz im Jahr 2010 von Bad König nach Michelstadt und beschäftigt 67 hauptamtliche Mitarbeiter. Die Adresse ist Bahnhofstraße 38. Interessenten erhalten Infos unter 06061-96500 oder im Netz www.diakonie-odenwald.de. Landrat Frank Matiaske lobte in seinem Grußwort die DWO-Arbeit. „Ohne DWO würde ein wichtiger Teil des Hilfsnetzwerkes im Odenwaldkreis fehlen“, resümierte er.

Bevor die Gäste mit einem Segen verabschiedet wurden, konnten sie an Thementischen mit Fachkräften sprechen oder mit Getränken und Snacks das kleine Fest zu dem werden lassen, was es war: eine Geburtstagsfeier.

(Hans-Dieter Schmidt)